3. Februar 2025

Nachhaltigkeits-Regulierung 2025: Unsicherheiten, Pflichten und Chancen

Im Vorfeld der Bundestagswahl fragen sich viele Unternehmen, wohin sich die Nachhaltigkeits-Regulierung entwickeln wird. Grund für Spekulation und Verunsicherung geben sowohl der Wahlkampf hierzulande als auch Entwicklungen auf europäischer Ebene. Wir erklären, welche Regulierungen kommen, was zur Diskussion steht und wie Unternehmen die neuen Pflichten zu ihrem Vorteil nutzen können.  

2025 werden verschiedene EU-weite und nationale Vorschriften in Kraft treten oder verhandelt. Ihr Zweck ist es, die nicht-finanzielle Berichterstattung auf eine Stufe mit der finanziellen Berichterstattung zu heben. Das soll Transparenz darüber herstellen, inwieweit Unternehmen ihrer ökologischen und sozialen Verantwortung nachkommen.  

Die Regulierungen stehen für einen politischen Richtungswechsel, mit dem die EU auf den fortschreitenden Klimawandel und wachsende Umweltprobleme reagierte: den EU Green Deal. Ziel der Strategie ist es, die europäische Wirtschaft nachhaltiger zu machen und ihre Wettbewerbsfähigkeit zu stärken. Daraus ergeben sich neue Pflichten, aber auch Chancen. Zu diesen zählen ein verbessertes Risikomanagement sowie ein gesicherter Zugang zu sich wandelnden Kapital- und Absatzmärkten. 

Für Unternehmen, die bislang nur randläufig von einer verpflichtenden Nachhaltigkeitsberichterstattung oder von Lieferkettensorgfaltspflichten betroffen waren, sind die neuen Vorschriften herausfordernd. Dass der Ruf nach weniger Bürokratie immer mehr Diskussionen in Brüssel bestimmt und hierzulande zu einem Wahlkampfthema gemacht wird, verunsichert zusätzlich.  

CSRD, CSDDD, EUDR, EmpCo, GCD: Was zur Diskussion steht und was nicht 

Corporate Sustainability Reporting Directive & Corporate Sustainability Due Diligence Directive 

Mit der Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD) werden Unternehmen dazu verpflichtet, über ihre sozialen und ökologischen Auswirkungen sowie die damit verbundenen finanziellen Risiken und Chancen zu berichten. Wie dies zu erfolgen hat, ist in den European Sustainability Reporting Standards (ESRS) geregelt. Die Umsetzung der CSRD in deutsches Recht hätte bis zum 6. Juli 2024 erfolgen sollen.  

Die Corporate Sustainability Due Diligence Directive (CSDDD) soll sicherstellen, dass Unternehmen Verantwortung für ihre Lieferketten übernehmen und wirksame Risikomanagement- und Compliance-Prozesse einrichten. Umwelt- oder menschenrechtsbezogene Missstände müssen identifiziert, beseitigt und verhindert werden. In Deutschland, wo seit 2023 das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz (LkSG) gilt, ist die Richtlinie bis zum Sommer 2026 in nationales Recht zu überführen.   

In welcher Form und wann die CSRD und CSDDD kommen, hängt nicht allein vom Ausgang der Bundestagswahl ab. Es ist auch die EU-Omnibus-Verordnung, die für Verunsicherung sorgt. Die EU-Omnibus-Verordnung, die im Februar 2025 erwartet wird, soll ESG-Berichtspflichten vereinfachen, birgt jedoch ein erhebliches Verwässerungsrisiko. Käme es zu einer Verwässerung, bliebe nicht nur ein kraftvoller Hebel für nachhaltige Transformation ungenutzt. Es wäre ein Rückschlag für all die Unternehmen, die sich bereits auf die CSRD und CSDDD vorbereitet haben.  

Mit dieser Sicht sind wir nicht allein: Am 12. Dezember 2024 äußern sich mehr als 90 Organisationen aus Wirtschaft und Zivilgesellschaft kritisch zur Omnibus-Verordnung. In einem Statement zeigen sie sich besorgt darüber, dass die EU-Nachhaltigkeitsberichterstattung als Bedrohung für die Wettbewerbsfähigkeit dargestellt wird. Warum sich der WWF für die bestehenden Regelungen und gegen die Omnibus-Verordnung ausspricht, erklären wir in einem Paper.

Von der kommenden Bundesregierung fordern wir, die CSRD und CSDDD schnell in nationales Recht umzusetzen. Mit Blick auf das LkSG gilt es, Schwächen auszubessern, Stärken zu erhalten und das Gesetz sinnvoll mit der CSDDD zu verzahnen. Was der WWF zur Bundestagswahl 2025 fordert, fassen wir in einem Forderungspapier zusammen.

European Deforestation Regulation  

Die European Deforestation Regulation (EUDR) richtet sich auf Rohstoffe und Produkte aus Soja, Palmöl, Holz, Rindfleisch, Kautschuk, Kaffee und Kakao sowie auf deren Derivate, darunter Schokolade oder Leder. Unternehmen, die diese Produkte in die EU importieren oder dort verkaufen, müssen nachweisen, dass sie nicht zur Entwaldung beitragen. Nur wenige Wochen vor dem geplanten Inkrafttreten der EUDR am 30. Dezember 2024 einigte sich der Trilog aus EU-Kommission, EU-Parlament und EU-Rat darauf, die EUDR um zwölf Monate zu verschieben.  

Etwas Gutes bleibt: Die EVP-Fraktion scheiterte mit ihrem Versuch, die EUDR abzuschwächen. Nicht nur Umweltorganisationen, sondern auch zahlreiche Unternehmen sprachen sich dagegen aus – darunter Barry Callebaut, Carrefour, DHG, Danzer, SIG, Nestlé, Mars, Ferrero, Fairtrade International. So kommt die EUDR zwar verspätet, aber unverändert kraftvoll. 

Jetzt ist die nächste Bundesregierung am Zug: Die nationale Gesetzgebung muss alle Vorgaben der EUDR gleichermaßen berücksichtigen, kontrollieren und wirksam sanktionieren. 

Empowering Consumers Directive & Green Claims Directive 

Die Empowering Consumers Directive (EmpCo) soll nachhaltigere Kaufentscheidungen ermöglichen und Greenwashing verhindern, indem sie unbegründete allgemeine Umweltaussagen und Umweltlabels ohne Zertifizierungssystem verbietet. Die EU-Richtlinie wurde im März 2024 veröffentlicht; das deutsche Pendant soll am 27. September 2026 in Kraft treten.  

Auch die Green Claims Directive (GCD) zielt darauf ab, Verbraucher:innen vor irreführenden Umweltangaben zu schützen. Unternehmen müssen ihre Umweltbehauptungen mit wissenschaftlich fundierten und überprüfbaren Methoden belegen. Nach Abschluss der zurzeit laufenden Trilog-Verhandlungen wird es weitere zwei Jahre dauern, bis die Regelung in nationales Recht überführt ist. Trotz massiver Kritik daran, dass umweltbezogene Aussagen vorab von einer unabhängigen Stelle zu überprüfen und zertifizieren sind, steht die EU-Kommission geschlossen hinter der Richtlinie.  

Beim WWF haben wir die Entwicklungen rund um die GCD von Beginn an verfolgt und Forderungen in den Konsultationsprozess eingebracht. Wir sind überzeugt, dass die Richtlinie nicht nur Vorteile für Verbraucher:innen bringt, sondern auch für Unternehmen. Denn sie schafft die Transparenz, die nachhaltige Produkte brauchen, um sich vom Wettbewerb abheben zu können. Auf diese Weise belohnt sie Unternehmen, die ihren Umweltfußabdruck nachweislich mindern. Zugleich macht sie es denen schwer, die ihre emissionsintensiven Produkte mithilfe von CO2-Zertifkaten als „klimaneutral“ vermarkten.  

Mehr als Compliance 

2025 werden viele Unternehmen nicht mehr daran vorbeikommen, etablierte Prozesse, Strukturen und Strategien zu erneuern.  

  • Nachhaltigkeitsberichte erfordern detaillierte Daten zu Emissionen, sozialen Standards und Governance-Strukturen. 
  • Um Risiken in den Lieferketten identifizieren, bewerten und überwachen zu können, werden engmaschige Due-Diligence-Prozesse nötig. 
  • Investitionen in ESG-Reporting-Software und Lieferketten-Tracking-Systeme sind unumgänglich und mit der digitalen Transformation zu synchronisieren.  
  • Nachhaltigkeit ist als strategisches Ziel zu verankern und von einem Kulturwandel zu begleiten, der das Management und die Mitarbeitenden einschließt.  

Nachhaltigkeit gesetzestreu umzusetzen ist herausfordernd. Dies als reine Compliance-Pflicht zu betrachten, greift zu kurz. Richtig umgesetzt und genutzt ergeben sich aus den neuen Anforderungen handfeste Chancen: ein verbessertes Risikomanagement sowie ein gesicherter Zugang zu Kapital- und Absatzmärkten. In Verbindung mit smarten digitalen Lösungen können komplexe Prozesse und Datenanalysen automatisiert und vereinfacht und fundierte strategische Entscheidungen unterstützt werden. So tragen die EU-Regulierungen auf vielfältige Weise dazu bei, dass Unternehmen in einer sich wandelnden Welt wettbewerbsfähig bleiben.  

Wie Unternehmen die Regulierungen zu ihrem Vorteil nutzen 

  1. Keep calm and carry on: Lassen Sie sich nicht von aktuellen politischen Diskussionen aus der Ruhe bringen. Die Richtlinien und Berichtspflichten sind für eine gute Unternehmenssteuerung essenziell und werden langfristig Bestand haben – unabhängig von politischen Entwicklungen. 
  1. Reporting-Prozesse optimieren: Verstetigen Sie Ihre Reporting-Prozesse und gestalten Sie diese effizient, beispielsweise analog zum Finanzmarkt-Reporting. Dies wird nicht nur Compliance-Anforderungen erleichtern, sondern auch langfristig die Unternehmenssteuerung verbessern. 
  1. Daten als Chance nutzen: Begreifen Sie den erhöhten Reporting-Aufwand als Chance. Nutzen Sie die erhobenen Daten, um ein effektives Risiko- und Chancenmanagement aufzubauen, strategische Maßnahmen abzuleiten und aktiv an der Transformation mitzuwirken. 
  1. Voneinander lernen: Lesen Sie Berichte anderer Unternehmen, tauschen Sie sich aus und lernen Sie von Best Practices. Dies kann wertvolle Impulse für die eigene Strategie liefern. 

Transformations-Beschleuniger statt Bremsklotz  

2025 wird ein richtungsweisendes Jahr. Die neuen EU-Regulierungen sind ein Vehikel für Unternehmen, um Risiken zu erkennen und Chancen zu nutzen. Wer diese nicht nur als reine Compliance-Bürde behandelt, sondern die verbesserte Datenbasis und Transparenz strategisch nutzt, stärkt das eigene Unternehmen für die Zukunft.  

Ja, die neuen EU-Regulierungen sind herausfordernd. Wir sehen sie dennoch als notwendige Leitplanken für zukunftsfähige Geschäftsmodelle und Industrien – und damit als Transformations-Beschleuniger. „Jede Abschwächung von CSRD, CSDDD und Co. würde all die Unternehmen ausbremsen, die sich bereits auf den Weg in eine nachhaltige Zukunft gemacht haben. Sie würde der nachhaltigen Transformation der Wirtschaft ihr Momentum nehmen. Wer sich der Klima- und Umweltrisiken für die heimische Wirtschaft bewusst ist, kann das nicht wollen“, betont Silke Düwel-Rieth, Fachbereichsleitung „Wirtschaft & Märkte“ im WWF Deutschland.  

Wie es nach der Bundestagswahl am 23. Februar und auf europäischer Ebene mit CSRD, CSDDD, EUDR, EmpCo und GCD weitergeht? Mit dem WWF Corporate Newsletter bleiben Sie informiert. 

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Planetare Grenzen

Das Konzept der planetaren Grenzen, das unter Leitung von Professor Dr. Johan Rockström vom Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung (PIK) entwickelt wurde, definiert Belastungsgrenzen für neun zentrale Umweltprozesse – und markiert so einen sicheren Handlungsraum für uns Menschen.

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Planetare Grenzen © Azote for Stockholm Resilience Centre, based on analysis in Richardson et al 2023